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Berlin, Berlin du kannst so ...

Ich bin verliebt: Und wie das in einer Liebesbeziehung oft nun mal so ist, können wir nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander leben. Was mich Berlin alles lehrte, worauf ich mich wohl niemals einlassen kann, warum ich mich für eine Trennung entschieden habe und in welcher Hinsicht mein Herz wohl trotzdem immer ein Stück weit dieser Stadt gehören wird, das möchte ich heute mit euch teilen.

 

Nun, es begann alles mit einer kurzen Affäre; ein halbes Jahr hatte ich das Vergnügen Berlin innerhalb eines Auslandssemesters kennen und lieben zu lernen. Wir hatten eine gute Zeit miteinander: viel Gelächter, viel Charme und Romantik, viele gute gemeinsame Freunde und herrliche Sommernachtsträume. Ich war verzaubert.

Natürlich war nicht alles nur Glamour und Schick. All die kleinen Macken, die Berlin mit sich brachte, ignorierte ich gekonnt. Um die ranzigen und verschmutzen Viertel machte ich einen Bogen, schroffe Worte wehrte ich mit einem Lächeln ab und die lauten Straßen übertönte ich mit Musik im Ohr oder Telefonaten. Ich war ein Meister darin die Romantik und Liebe um jeden Preis aufrecht zu erhalten.


Die Verabschiedung fiel dann natürlich umso schwerer aus und die vorübergehende Trennung wurde von tausenden Tränen begleitet.

Nachdem ich mein Studium beendet habe, wusste ich, ich muss zurück in die Stadt, in die ich mich so verliebte. Also packte ich mein Hab und Gut und zog in eine wundervolle Altbauwohnung, die von noch wundervolleren Nachbarn umzingelt war.

Mein Wiedersehen war fantastisch. Nach wie vor waren Berlin und ich Feuer und Flamme und ließen alte Gefühle erneut entfachen. Doch die „Honey-Moon-Phase” sollte bald vorüber sein.

Mein neuer Job war nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte, ich war viel krank und Berlin schien sich einen feuchten Dreck darum zu bemühen mir Freudige Momente zu schenken, damit ich mich besser fühlte. Anders als ich es mir erwartet habe, fühlte ich mich vom Zauber Berlins im Stich gelassen und unser gemeinsames Glück schien uns vergönnt zu sein. Gott sei Dank hatte ich nach wie vor ganz wundervolle Freunde um mich herum, die mich immer wieder auffingen und zwei offene Ohren für mich hatten.


Ich beschloss nicht so schnell aufzugeben und steckte viel Arbeit und Energie in unserer Beziehung, nahm einen neuen Job an und drehte und wendete meine Gedanken solange, bis sie positiver und optimistischer gestimmt waren. Doch mit der Zeit kamen alte Muster ans Tageslicht und es fiel mir zunehmend schwerer diese einfach wegzustecken und fröhlich weiter zu leben und lachen.

Die lauten, verdreckten Straßen wurden immer noch lauter, die Busse und Straßenbahnen quollen über, unsere gemeinsamen Dates waren nichts besonderes mehr, alles rotierte und drehte sich im Kreis - die Liebe: stagniert.

Wochen vergingen und zahlreiche wache Nächte mit wirren Gedanken ließen mich schließlich erkennen, dass ich Berlin wohl niemals ändern kann, aber wer will das schon; es ist ja schließlich ganz wundervoll, auf seine Art und Weise; ja ganz fantastisch sogar. Gleichzeitig erkannte ich, dass lediglich ich über mein eigenes Glück verfüge und jegliche Änderung einzig und alleine in meiner Macht stehen. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich wusste was zu tun war: Wir mussten uns trennen. So schwer es mir auch fiel, war es die einzige Möglichkeit noch im Guten miteinander zu verbleiben und doch eigene Wege einzuschlagen, um Platz für eine neue Liebe zu schaffen.

Dieses Mal verließ ich Berlin mit einem weinenden UND einem lächelnden Auge, denn ich wusste, wenn ich auf Besuch zurückkehren werde, würden wir uns fabelhaft verstehen, in alten Erinnerungen schwelgen und vergangene Geschichten aufleben lassen - aber nur die Guten versteht sich.


Schließlich lehrte mich diese Stadt nicht nur zu sich selbst und seinen Gefühlen zu stehen und stehst ehrlich, auch mit sich selbst, zu sein, sondern auch niemals, wirklich niemals Vorurteile aufkommen zu lassen - egal in welcher Hinsicht, es gehört sich nicht zu urteilen. Außerdem lernte ich, dass nur wir selbst entscheiden können dankbar und glücklich zu sein und das Glücksgefühl weder von der Situation, noch vom Job, noch vom eigenen Hab und Gut abhängig ist. Nur wir alleine haben die Macht darüber jeden Tag aufzustehen und uns entweder dafür zu entscheiden, dass der Tag gut wird und wir das Beste aus ihm herausholen werden, oder ob wir uns wenig darum bemühen und uns aufs Negative konzentrieren werden, um mit Trotz und in Selbstmitleid den Tag zu durchlaufen. Ich beschloss also meiner Trauer ein Ende zu setzen und von nun an das Beste aus den mir bevorstehenden Tagen zu machen.


Da saß ich nun, im Auto und kehrte Berlin den Rücken; Einmal drehte ich mich noch um: Wir sahen uns tief in die Augen und ich erkannte, dass mich auch Berlin schweren Herzens ein letztes Mal fröhlich Zuzwinkerte.

Berlin, Berlin du kannst so wundervoll, zauberhaft, enthusiastisch, gemein, ehrlich, offen, liebevoll, kühl, schonungslos, herzallerliebst, romantisch, dreckig, modern, altmodisch, traurig, lehrreich, einsam, familiär, sentimental, taff, gescheit, dumm und einfach ganz fantastisch sein …


Claudi Mari Mai

DESIGNERIN . DENKERIN . DICHTERIN .

& DRAMATURGIN . 

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